Aus Singstunden..
Der Probenbesuch ist freiwillig, unbezahlbar aber verpflichtend.
Wir kommen aus der Arbeit oder aus dem Stau, von weiter her oder aus Niedersteinach, Reinsbronn oder Schirmbach. Frau hat ihrem Mann oder Mann hat seiner Frau erklärt, was sie am Abend zuhause noch tun sollte und freut sich jetzt auf die Singstunde. Seit ein paar Monaten kommen auch die Biberahremer nach Rohsbrunn oder die Reinsbronner nach Bieberehren, weil wir gemeinsam singen.
Wer gleich nach unserer Notenwärtin den Probenraum im ersten Stock betritt, kann sich gleich nützlich machen und die Stühle aufstellen, damit auch die pünktlich Ankommenden genüsslich ihren Platz auf dem Stuhl finden.
Auch der Chorleiter freut sich, wenn schon das Klavier vom Lederschutz befreit, ausgepackt und am richtigen Platz steht. Für das Aufklappen des Dirigentenpultes muss dann ein breites technisches Wissen helfen.
Achtung der Chorleiter kommt. Mit einem freundlichen Lächeln und Begrüßungsworten legt er sein Tablet auf den Notenständer. Er muss nicht mehr wie wir in den Papiernoten blättern. Ich frage mich immer wie er das macht, so schnell die Seite umdrehen und gleichzeitig noch dirigieren. Oder kennt er die Lieder doch auswendig?
Hallo, Ruhe bitte, wir wollen uns einsingen. Einsingen - erstmal 'Turnen', wie wir Spötter vom Bass uns denken. Es gilt aufzustehen. Nun folgt ein lustiges Strecken, Dehnen, Drehen vielleicht Beklopfen. Die schlechte Luft kommt aus der Lunge, wenn wir uns tief beugen. Dann sollen wir die Arme heben, nach links beugen und Luft einatmen, nach rechts beugen die Luft wieder ausatmen. Nun dürfen wir singen - Übungen zur Lockerung des Zwerchfells und der Zunge, zur Förderung der Intonation und Tiefen und Höhen. Das Einsingen beenden wir meistens mit dem Song - Lieber Apfel fall nicht auf den Stein, in meinen Korb fall hinein -, wobei dies mehrmals hintereinander gesungen wird und eine Steigerung erfährt - zuerst mit ansteigender Triole, an- und absteigender Triole beim -Korb- und dann an- und absteigender Triole beim -nein- .
Hoffentlich sind nun auch schon alle Nachzügler eingetroffen.
Jede( r) nimmt nun Platz, stellt das Gespräch mit dem Nachbarn, ein. Der Schriftführer kommt in Stress, weil der Stuhl neben ihm zum Ablegen seiner Notizen, wie viele da sind und was gesungen wird, belegt ist.
In der Singstunde gibt es feste Plätze für die einzelnen Stimmen, wohl damit sich der Chorleiter zurecht findet, wo er seine Einsätze hin dirigieren soll? Auch sind meistens die Stuhl-Nachbarn gleich, an die ich mich singlich anlehnen will. Danke lieber Nachbar, dass du den Einsatz vom Chorleiter immer schneller ahnst und so genau den gewünschten Ton triffst!
Jede Stimme hat bei den Proben einen eigenen Sektor im Chorhalbkreis bzw. ist es eigentlich eine Chorfront.
Vom Chorleiter aus gesehen sind Bässe sind hinten rechts, vorne ist dann der Alt. Die Tenöre sind hinter dem Sopran auf der linken Seite.
Die Notenwärtin hat uns beim Eingang schon unsere Notenmappen mit allen Liedern ausgelegt. Unpässlich ist es immer, wenn ich die letzte Probe versäumt habe und ein neues Lied nicht in der Notenmappe ist. Da heißt es dann: … mir fählä die Nodä. Und ich erhalte zur Antwort: Woarscht eß ledzde mol nid do. Lächelnd bekomme ich das neue Notenblatt.
Bässe haben meist eine Zweierreihe, damit die vordere Reihe hört, was der hintere Reihe singt. Dies sollte mit dem Tonwunsch des Chorleiters bzw. den Noten identisch sein. Pech hat der Bass, weil der Dirigent selbst dieser Stimmlage angehört und so sehr genau zuhört.
Altistinnen haben auch eine Zweierreihe. Sie sind zwar nicht so viele. Aber es ist sicherlich aus dem selben Grund wie bei den anderen Stimmen.
Man sagt, die Altstimme ist aus kompositorischen Gründen schwierig zu singen und wäre eine "Füllstimme". Dies kann ich bei manchen Liedern auch für den Tenor oder den Bass bestätigen, wenn der Chorleiter das Lied interpretiert und für diese 3 Stimmen möchte - singt bitte leiser, ihr untermalt nur den Sopran.
Tenöre wären rar. Bei uns sind es mehr Sänger als beim Bass. Ab und zu rutscht dem einen oder anderen Tenor besonders am Schluss eines Liedes eine besondere Betonung nach Art eines deutschen Startenors heraus, was nicht immer wohlwollend vom Dirigenten gewünscht wird.
Sopranistinnen haben es einfach, meist dürfen sie die Melodiestimme singen, denken sich die anderen Stimmen. Und das ist gerade das Schwierige. Der Dirigent legt noch mehr Wert auf die richtige Höhe des Tones und verkneift sich einen Korrekturwunsch nie, indem er mit seiner Bassstimme dennoch die Tonhöhe erwischt.
Nun geht die eigentliche Probe los. Auf den Dirigenten sind alle Augen gerichtet und er gibt die Lieder vor, die er heute proben will. Er holt sich vom Klavier den richtigen Ton und singt für jede Stimme den Anfangston des Liedes vor. Als dem Rhythmus verschrieben nutzt er das Tablet auch für Korrekturen beim Tempo. Metronom sei Dank. Besonderen Wert legt er nicht nur auf den richtigen Ton sondern auch auf die Länge eines Tones. Was immer auch Viertel- oder Achtelnoten sind und wie ich die unterscheiden kann, denke ich. Muss mühsam sein, die eineinhalb Stunden stehen, immer den richtigen Ton kennen und dann einen Takt durch Heben und Senken sowie ausbreiten beider Arme angeben. Gut dass er schon große Orchester geleitet hat, da hilft auch ein leichtes Senken der rechten Schulter mit Anheben des Armes, ein leises Schnalzen mit dem Finger um den Einsatz zu geben oder ein rhythmisches Nutzen des rechten Armes um den Takt vorzugeben. Vermissen wir vielleicht unsere frühere Dirigentin, die am Piano immer den richtigen Ton vorgegeben hat?
Aus Generalproben - folgt wenn es der Leser wünscht
Es geht das Gerücht um, wenn die Generalprobe nicht klappt, wird der Auftritt 1a.
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Aus Auftritten - folgt, wenn es der Leser wünscht.